Gedanken zu KI: Die Kraft menschlicher Anstrengung
Warum Einsatz wichtiger ist als ein perfektes KI-Ergebnis
In einer Zeit, in der KI-Tools perfekte Antworten in Sekunden liefern können, ist es verlockend zu glauben, dass Schnelligkeit und Präzision die höchsten Ziele sind. Warum sich durch etwas hindurchkämpfen, wenn eine Maschine das Problem sofort lösen kann?
Aber hier liegt das Paradox: Anstrengung ist kein Makel, sie ist eine Eigenschaft.
In der Anstrengung wachsen wir. Lernen. Verändern uns.
Diese Idee wird von Simon Sinek in einer kürzlich erschienenen Podcast-Episode sehr schön formuliert:
„Es geht nicht darum, dass das Buch geschrieben wurde – sondern dass ich das Buch geschrieben habe.“
Was er damit meint: Es ist nicht das Ergebnis, das am meisten zählt, sondern der Prozess, durch den wir zu dem werden, was wir sein können. KI kann Ergebnisse liefern. Aber nur Menschen entwickeln sich weiter, indem sie sich selbst fordern.
Schauen wir uns an, warum das heute wichtiger ist als je zuvor.
1. Anstrengung formt Identität
Wenn du dich Herausforderungen stellst, sei es beim Schreiben eines Angebots, in einem schwierigen Gespräch oder beim Erlernen einer neuen Fähigkeit, erreichst du nicht nur ein Ziel. Du veränderst auch dein Selbstbild.
Du bist nicht nur jemand, der ein Ergebnis hat.
Du wirst jemand, der es sich verdient hat.
Dieser feine Identitätswandel ist kraftvoll:
Von „Ich habe es geschafft“ → zu „Ich bin jemand, der das kann.“
Von Selbstzweifel → zu Selbstwirksamkeit.
Diese innere Veränderung geschieht nicht, wenn dir das Ergebnis einfach überreicht wird, selbst wenn es perfekt ist.
2. Anstrengung stärkt emotionale Widerstandskraft
Wenn wir uns selbst (und unseren Teams) erlauben, Unannehmlichkeiten, Unklarheiten oder Reibungen auszuhalten, bauen wir mentale und emotionale Widerstandsfähigkeit auf.
Diese vermeintlichen „Soft“ Skills werden zu den Schlüsselkompetenzen der Zukunft:
In komplexen Situationen ruhig bleiben
Rückschläge überstehen, ohne zusammenzubrechen
Echtes zuhören, statt vorschnell zu reagieren
Diese Fähigkeiten kann man nicht downloaden, automatisieren oder mit ChatGPT ersetzen.
Man muss sie erleben. Oft durch unbequeme Erfahrungen.
3. Anstrengung schafft nachhaltiges Lernen
Die Neurowissenschaft bestätigt es:
Wenn wir uns anstrengen, lernen wir besser.
Das nennt man das Prinzip der “wünschenswerten Schwierigkeit”. Lernen, das sich anstrengend anfühlt, führt zu tieferem Verständnis.
Zum Beispiel:
Copy-Paste einer Präsentation bringt wenig.
Das eigenständige Ringen mit einem schwierigen Thema lehrt dich zu priorisieren, zu strukturieren und kommunizieren.
In einer Welt voller Sofort-Antworten wird der Weg selbst zur Lernreise.
4. Anstrengung baut Vertrauen und Empathie auf
Anstrengung ist zutiefst menschlich. Wenn wir zeigen, dass wir nicht perfekt sind, besonders als Führungskräfte, werden wir nahbar. Zugänglich. Echt.
In Teams sendet das folgende Signale:
„Es ist okay, etwas nicht zu wissen.“
„Wir finden es gemeinsam heraus.“
„Lernen gehört zum Job. Es ist eine Stärke.“
Im Gegensatz dazu: ein „perfekter“ KI-generierter Bericht. Beeindruckend? Vielleicht.
Aber schafft er Vertrauen? Eher nicht.
Teams verbinden sich nicht über Perfektion. Sie verbinden sich über gemeinsame Anstrengung.
5. Anstrengung hält uns präsent und neugierig
KI kann Antworten liefern, aber sie weckt keine Neugier.
Wenn du mitten in einem Denkprozess steckst, bist du voll da. Du stellst Fragen, erkennst Muster, probierst aus.
Das ist Präsenz.
Das ist Flow.
Dort entstehen Einsicht und Innovation.
Wenn wir zu oft abkürzen, geben wir genau den Prozess aus der Hand, der uns kreativ macht.
Was bedeutet das für Organisationen heute?
In vielen Teams herrscht der Druck, effizient, produktiv und schnell zu sein. KI-Tools versprechen genau das. Und ja, sie sind extrem nützlich.
Aber wir müssen bewusst entscheiden:
Nicht alles sollte automatisiert werden.
Bei manchen Themen lohnt es sich den langen Weg zu gehen, weil wir dabei wachsen.
Ich arbeite mit Teams, die besser kommunizieren, Spannungen lösen oder Feedback ehrlicher geben möchten. Das lässt sich nicht mit einem Prompt optimieren.
Das braucht echtes Üben, emotionale Tiefe und eben auch Anstrengung.
Fazit: Embrace the Process
In einer Welt voller sofortiger Ergebnisse ist das Menschlichste, was wir tun können, manchmal den langen, schwierigen, unordentlichen Weg zu wählen.
Denn dort liegt unser Wachstum.
Beim nächsten Mal, wenn du etwas anstrengendes vermeiden möchtest, frage dich:
Was verpasse ich, wenn ich den Prozess überspringe?
Und wenn du andere begleitest:
Was, wenn genau diese Anstrengung sie zu dem Menschen macht, der sie werden sollen?
Das Ergebnis zählt, aber der Prozess verändert uns.